Friedrich Merz nimmt selten ein Blatt vor den Mund, wenn ihm etwas nicht passt. Das kriegte jüngst EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen zu spüren, als sie den neuen mehrjährigen Haushaltsplan der Europäischen Union nach Berlin schickte. Die Antwort aus dem Kanzleramt kam prompt und war klar: Noch mehr Geld für Brüssel? Da macht Deutschland nicht mit! In der traditionellen Sommer-Pressekonferenz am Freitag legte Merz noch einmal nach. Die EU sei “einfach zu regelungsintensiv geworden, um nicht zu sagen zu bürokratisch, sie ist zu langsam in der Reaktion auf bestimmte Entwicklungen”, sagte Merz. Wahrscheinlich hatte der Kanzler auch noch die Wut über von der Leyens unabgestimmten Haushaltsvorschlag im Bauch, der unter anderem eine EU-Zusatzsteuer für Unternehmen vorsah, um das wachsende Gemeinschaftsbudget zu finanzieren. “Ich kann für Deutschland ausschließen, dass wir einen solchen Weg mitgehen”, hatte Merz diesen Vorschlag bereits am Donnerstag nach einem Treffen mit dem britischen Premierminister in London abgekanzelt. “Das tun wir nicht.” Für solch eine Steuer fehle der EU zudem “jede Rechtsgrundlage”. Friedrich Merz und Keir Starmer. Foto: Neil Hall/EPA Dass Merz von der Leyens Vorschlag ausgerechnet von London aus abschoss, nachdem er zuvor mit Regierungschef Keir Starmer ein weitreichendes Kooperationsabkommen unterzeichnet hatte, war sicherlich Zufall. Der Ort der Abrechnung mit Brüssel war dennoch symbolisch. Seit seinem Amtsantritt vor knapp drei Monaten hat der konservative Kanzler gezielt die Nähe zu den großen europäischen Staaten gesucht, um mit diesen starke bilaterale Bündnisse zu knüpfen, die im Zweifelsfall besser funktionieren als die zähe Brüsseler Technokratenbürokratie. Als abschreckendes Beispiel nannte Merz am Freitag die langwierigen Verhandlungen mit dem slowakischen Regierungschef über dessen Zustimmung zum 18. EU-Sanktionspaket gegen Russland. “Ich habe mit Ministerpräsident Robert Fico in den letzten Tagen fast täglich telefoniert. Wir haben uns in Brüssel getroffen, intensiv miteinander gesprochen und die Teams haben miteinander beraten”, berichtete Merz. Er sei Fico zwar dankbar, dass dieser am Ende zugestimmt habe. “Aber es hat eben auch wieder sehr lange gedauert”, sagte der Kanzler. “Die Prozesse sind zu schwerfällig.” Merz’ wachsende Ungeduld mit der EU ist auch im Hinblick auf die Verhandlungen zwischen Brüssel und Washington über die drohenden Strafzölle erkennbar. Hier gehe es nicht um ein “feinziseliertes, in allen Details ausverhandeltes, umfassendes Handelsabkommen mit den Vereinigten Staaten von Amerika”, sagte er jüngst auf einer Veranstaltung der Volks- und Raiffeisenbanken mit Blick auf die zähen Verhandlungen. “Lieber schnell und einfach als langwierig und kompliziert.” Die wachsenden Spannungen zwischen Berlin und Brüssel haben möglicherweise auch einen persönlichen Hintergrund. Die beiden Protagonisten in diesem Konflikt, Merz und von der Leyen, haben zwar dasselbe Parteibuch, gehörten innerhalb der CDU jedoch stets unterschiedlichen Lagern an. Während von der Leyen als enge Vertraute von Ex-Kanzlerin Angela Merkel galt und als Ministerin eine progressive Agenda vorantrieb, vertrat Merz stets den konservativen Parteiflügel und war ein erklärter Gegner der Kanzlerin, bevor er für einige Jahre in die Wirtschaft wechselte. Nun treffen Merz und von der Leyen auf europäischer Ebene erneut aufeinander und agieren auch hier als Gegenspieler. “Wir stehen ab dem nächsten Jahr vor äußerst schwierigen Verhandlungen”, sagte der CDU-Chef am Freitag mit Blick auf die anstehenden Haushaltsgespräche mit der Kommission. Lesen Sie auch eine Auswahl unserer Artikel dieser Woche: Militärbande, auf- und abwärts, Problemwährung Dollar, wer beherrscht das All? und Luxus trifft Luxus. |