Five Things: Germany
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Den Wähler im Visier

Der vom US-Präsidenten gebilligte Einsatz amerikanischer ATACMS-Raketen auf russischem Territorium — am Dienstag feuerten die Ukrainer die ersten dieser weitreichenden Marschflugkörper ab — hat Bundeskanzler Olaf Scholz eine Neuauflage der deutschen Taurus-Debatte beschert. Am Rande des G20-Gipfels wusste Scholz das brisante Thema zu nutzen, um sich als Friedenskanzler zu inszenieren.

Er habe “sehr klare Gründe”, warum er die Lieferung des Taurus nach wie vor “nicht für richtig halte”, bekräftigte Scholz am Montag in Rio. Deutschland müsste sich im Einsatzfall an der Zielsteuerung beteiligen. “Das ist aber etwas, was ich nicht verantworten kann und auch nicht will”, so der Kanzler.

Soll die Ukraine nicht bekommen: Taurus-Marschflugkörper. Foto: SeongJoon Cho/Bloomberg

Bei seinen Äußerungen dürfte Scholz nicht nur die militärische Lage in der Ukraine, sondern auch den heraufziehenden Bundestagswahlkampf im Blick haben. Hier verschafft ihm das Taurus-Thema gegenüber den Kanzlerkandidaten von Union und Grünen, Friedrich Merz und Robert Habeck, ein Alleinstellungsmerkmal, das bei vielen friedensbewegten Wählern gut ankommen dürfte. Insbesondere, nachdem der russische Präsident Wladimir Putin gerade erst die erneuerte Atomwaffendoktrin seines Landes unterschrieben und in Kraft gesetzt hat.

Angenehmer Nebeneffekt: Es ist auch ein Seitenhieb auf seinen SPD-internen Widersacher Boris Pistorius, der Deutschland erklärtermaßen “kriegstüchtig” machen will — und damit so manchem Sozialdemokraten als Kanzlerkandidat suspekt ist.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Alexander Kell, Rainer Bürgin, Verena Sepp, Stephan Kahl und Annika Reichelt: Im Umbruch, spannende Daten, Super-Mini-Jobs für Banker, Zerschlagungspläne, und Roboter-Rivalen.

Im Umbruch

Die Sanierung von Thyssenkrupp scheint Fortschritte zu machen. Für das laufende Geschäftsjahr stellt der Konzern, der mit der Restrukturierung seiner Problemsparte Stahl kämpft, die Rückkehr in die Gewinnzone in Aussicht. Das Nettoergebnis soll mindestens 100 Millionen Euro betragen. Für das abgelaufene Geschäftsjahr berichteten die Essener noch einen Verlust von 1,4 Milliarden Euro. Die Thyssenkrupp-Aktie legte zeitweise 9,7% zu, gegenüber dem Jahreswechsel liegen die Titel damit freilich noch immer mehr als 40% im Minus. Nestlé schraubte beim heutigen Kapitalmarkttag das Mittelfrist-Mindestziel für das Umsatzwachstum auf 4% herab. RBC hält dies für ehrgeizig angesichts des bereits niedrigeren Analystenkonsens. Die Schweizer kündigten zudem an, das Geschäft mit Wasser und Premium-Getränken ab dem neuen Jahr als eigenständigen globalen Geschäftsbereich zu führen. Die Nestle-Aktie fiel knapp 2% und kommt damit auf Sicht des laufenden Jahres auf ein Minus von 21%. Beim Wiesbadener Kohlefaser-Spezialisten SGL Carbon kommt es zu einem Führungswechsel. Nachfolger von CEO Torsten Derr wird mit dem Jahreswechsel der Spartenmanager Andreas Klein.

Spannende Daten

Auf ihrer letzten geldpolitischen Sitzung des Jahres im Dezember wird die EZB wohl zum vierten Mal seit Juni die Zinsen senken. Dies sei “mehr oder weniger“ beschlossene Sache, sagte Ratsmitglied Yannis Stournaras gestern. Er halte “25 Basispunkte für eine optimale Senkung”, insgesamt könnte der Leitzins über Zeit auf “nahe 2%” fallen. Die Inflation sinke schneller als in den Prognosen vom September erwartet und dürfte “eher im ersten oder zweiten Quartal 2025” nachhaltig bei 2% liegen als im Schlussquartal. Laut Ratsmitglied Boris Vujcic ist innerhalb des letzten halben Jahres das Risiko gestiegen, dass die Inflation unter das Inflationsziel der EZB rutscht. Laut dem italienischen EZB-Rat Fabio Panetta sollte sich die Notenbankpolitik “in den neutralen oder sogar expansiven Bereich begeben, falls erforderlich”. Ob Zinssenkungshoffnungen in Erfüllung gehen, könnte laut Bloomberg Intelligence von nicht-offiziellen Lohndaten abhängen. Die EZB wird erst am 16. Dezember — vier Tage nach der Sitzung — einen weiteren offiziellen Datensatz zu den Löhnen und Gehältern erhalten. Die eng korrelierten Daten von Indeed in dieser Woche könnten indessen gar die Chancen auf eine Senkung um 50 Basispunkte im Dezember erhöhen. 

Super-Mini-Jobs für Banker

In Zeiten von Fachkräftemangel und demografischem Wandel zeigen sich einige Banken durchaus kreativ. So jetzt auch die LBBW. Sie hat gerade ein Programm gestartet, über das Mitarbeiter nach der Geburt eines Kindes und während der Elternzeit mit 10% bei der Bank beschäftigt bleiben. Das stärke die Bindung zum Unternehmen und erhöhe die Chance, dass die betroffenen Beschäftigten wieder zur LBBW zurückkehren, so die Idee. In den ersten Wochen nach Beginn des Programms habe es bereits etwa 30 Anträge gegeben, darunter von sechs Führungskräften, wie Personalchefin Christine Neuberger in einem Bloomberg-Interview verriet. Auch bei der DekaBank spielte das Thema Personal bei den heute vorgelegten Zahlen zu den ersten drei Quartalen eine Rolle. Demnach wächst das Wertpapierhaus der Sparkassen. Es hat seit Beginn des Jahres rund 200 zusätzliche Stellen geschaffen und beschäftigte zu Ende September damit rund 5.700 Mitarbeiter. Das wirtschaftliche Ergebnis im Gesamtjahr soll unter dem Vorjahreswert von 972 Millionen Euro, aber über dem Niveau von Ende September in Höhe von 805 Millionen Euro liegen.

Zerschlagungspläne

Gehen Google und Chrome in Zukunft getrennte Wege? Kaum vorstellbar, aber genau das fordert Washington. Wie zu hören ist, wollen Wettbewerbshüter des US-Justizministeriums die Alphabet-Tochter Google gerichtlich dazu zwingen, den Browser Chrome abzustoßen. Da Google bei der Internet-Suche ein illegales Monopol geschaffen habe, wären Maßnahmen dringend erforderlich — auch im Zusammenhang mit dem Smartphone-Betriebssystem Android und künstlicher Intelligenz. Im KI-Segment arbeitet Google derzeit mit dem Chip-Pionier Nvidia an Quantencomputern. Sollte Google bei dem Rechtsstreit den Kürzeren ziehen, wäre es der bislang einschneidendste Eingriff im Technologiesektor, seit Washington vor zwei Jahrzehnten erfolglos versucht hatte, Microsoft zu zerschlagen. Chrome hat als beliebtester Webbrowser der Welt nach Angaben des Web-Traffic-Analysedienstes StatCounter in den USA einen Marktanteil von rund 61%. Für Google ist Chrome insbesondere aufgrund des Anzeigengeschäfts wertvoll, denn der Konzern kann damit die Aktivitäten angemeldeter Nutzer einsehen und diese Daten einsetzen, um Werbung effektiver auszurichten. Und Werbung ist eine der wichtigsten Einnahmequellen für Google.

Roboter-Rivalen

Die Ideen des reichsten Mannes der Welt (362 Milliarden Dollar) zu überbieten, ist sicherlich kein leichtes Unterfangen. Der reichste Mann Asiens (96 Milliarden Dollar) will es trotzdem versuchen: Das Startup Addverb Technologies, das vom indischen Milliardär Mukesh Ambani kontrolliert wird, steigt in den Markt für menschenähnliche Roboter ein und nimmt es damit mit Konkurrent Elon Musk auf. Schon 2025 werde Addverb seine ersten humanoiden Roboter vorstellen, sagte CEO und Mitbegründer Sangeet Kumar im Bloomberg-Interview. “Unser Ziel mit humanoiden Robotern ist es, alle langweiligen, schmutzigen und gefährlichen Jobs abzuschaffen”, sagte Kumar, ohne den Preis für die Helferlein zu nennen. Obwohl die Technologie noch nicht erprobt ist und bisher nur wenige solcher Roboter auf dem Markt sind, prognostizierte Musk letzten Monat, dass bis 2040 rund 10 Milliarden Humanoide unter uns wandeln werden. “Es wird enorm viel Geld in die Entwicklung von Humanoiden gesteckt”, so Kumar im Videointerview aus Delhi. Sein Unternehmen gehört zu 56% Reliance Industries, dem nach Marktkapitalisierung größten Unternehmen Indiens. Laut Kumar befindet sich Addverb bereits in ersten Gesprächen mit der indischen Raumfahrtbehörde, um einen Humanoiden zum Mars zu bringen.

Was sonst noch so passiert ist: