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Säbelrasseln bei VW

Gestern wurde Konstruktives präsentiert, nun wird demonstriert – mit dieser Taktik erhöht die IG Metall den Druck auf Volkswagen im Ringen um Sparmaßnahmen bei Europas größtem Autohersteller.

Heute startet die dritte Tarifrunde zwischen Arbeitnehmervertretern und dem VW-Management in der Volkswagen-Arena in Wolfsburg. Die IG Metall hat VW-Arbeiter zu einer Demonstration aufgerufen, Hunderte sind bereits zum Stadion marschiert, Tausende sollen es werden.

Die Positionen beider Seiten in den seit September laufenden Tarifverhandlungen liegen weit auseinander: Das VW-Management fordert eine pauschale Lohnkürzung um 10%, will zudem verschiedene Zulagen streichen und erwägt auch die Schließung von mindestens drei Werken sowie betriebsbedingte Kündigungen.

Gesucht: Ein Rettungsring für Volkswagen. Foto: Liesa Johannssen/Bloomberg

IG Metall und Betriebsrat wollen das verhindern. Am gestrigen Mittwoch stellte die Arbeitnehmerseite ein eigenes Zukunftskonzept vor, das im Kern zusätzliche Einsparungen von 1,5 Milliarden Euro vorsieht. Zudem bietet die Arbeitnehmerseite an, die nächste Tariferhöhung befristet in einen Zukunftsfonds einzubringen und vorerst nicht auszuzahlen, wenn VW auf Werksschließungen und betriebsbedingte Kündigungen verzichtet.

Die IG Metall droht aber bereits mit Warnstreiks ab 1. Dezember, sollte der Vorstand auf Werksschließungen und allen Lohnkürzungs-Forderungen beharren. Bis Weihnachten, so fordert die Arbeitnehmerseite nun, soll Klarheit herrschen über die Restrukturierungsmaßnahmen.

Laut Arbeitnehmerseite will Volkswagen alleine bei seiner Kernmarke VW 17 Milliarden Euro einsparen. Volkswagen-Manager haben zuletzt signalisiert, dass der Absatzrückgang in Europa das Problem mit Überkapazitäten in VW-Werken verschärft und der Konzern deshalb an Schließungen ganzer Werke denkt.

Die jüngsten Absatzzahlen für Europa untermauern das Nachfrageproblem: Im Oktober ist der Autoabsatz in Europa gerade mal um 0,1% gewachsen, wie Zahlen des europäischen Autoverbands ACEA zeigen. Immerhin haben die Verkäufe des Volkswagen-Konzerns um 12,6% zugelegt im Vergleich zum Vorjahresmonat.

Dennoch kämpft Volkswagen mit Unterauslastung in vielen Werken — und nun auch mit festgefahrenen Fronten im Tarifstreit. VW geht also in eine alles andere als friedliche Adventszeit.

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Annika Reichelt, Rainer Bürgin, Alexander Kell und Verena Sepp: Nicht so einfach, auf Kurs, ‘Dr. Dooms’ sicherer Hafen, absehbares Bremsversagen, und Immo-Lichtblicke.

Nicht so einfach

Nvidia hat den Aktionären versichert, dass die neue Produktpalette das Wachstum des Konzerns im Bereich Künstlicher Intelligenz aufrechterhalten kann. Die Nachfrage sei “sehr stark”, sagte Konzernchef Jensen Huang bei der Vorstellung der jüngsten Geschäftszahlen. Die Auslieferung der neuen Blackwell-Reihe soll noch im laufenden Quartal beginnen. Die dazu notwendige Eile ist indessen kostspieliger als erwartet. Produktions- und Entwicklungskosten der Chips werden die Margen belasten. Die Umsatzprognose von Nvidia für das laufende Geschäftsquartal blieb unterhalb der optimistischeren Analystenprognosen. Im vorbörslichen Donnerstagshandel sank die Aktie des inzwischen wertvollsten Konzerns der Welt um 4%. Der chinesische Suchmaschinenbetreiber Baidu berichtete für das abgelaufene Quartal einen Umsatzrückgang um 3% und damit die schwächste Performance seit über zwei Jahren. Das eigene KI-Modell Ernie erhält inzwischen täglich 1,5 Milliarden Nutzeranfragen. Ein Problem ist dabei aber noch immer, damit auch Geld zu verdienen. Die neueste Version des fahrerlosen Taxis Apollo Go wurde nun in mehreren Städten eingeführt. Der Finanzinvestor Bain wird dem Vernehmen nach wohl schon am Freitag grünes Licht für den Börsengang des Speicherchip-Herstellers Kioxia in Tokio erhalten. 

Auf Kurs

Die Eurozone ist laut EZB-Ratsmitglied Yannis Stournaras auf dem besten Weg, Anfang 2025 das Inflationsziel von 2% nachhaltig zu erreichen. Die jüngsten EZB-Projektionen hatten das erst für das Schlussquartal 2025 in Aussicht gestellt. Priorität hat laut Stournaras, dem zum Taubenlager zählenden Gouverneur der griechischen Notenbank, das Inflationsziel nicht zu unterschreiten, um Risiken für das Wirtschaftswachstum zu minimieren. Im September betrug die Teuerungsrate 1,7%, im Oktober lag sie bei 2%. Eine vierte Senkung der EZB um 25 Basispunkte wird im Dezember erwartet, Stournaras schloss im Bloomberg-Interview 50 Basispunkte aber nicht aus. “Wir sollten den Grad der geldpolitischen Restriktion weiter verringern“, sagte unterdessen Ratsmitglied Francois Villeroy de Galhau. “Aber das Tempo muss von einem agilen Pragmatismus bestimmt werden.” Dass Trumps angedrohte Zölle die Inflation im Euroraum anheizen und den Zinspfad der EZB beeinträchtigen werden, glaubt der französische Notenbankchef nicht. Bundesbankchef Joachim Nagel ist da skeptischer. Auch den jüngsten Anstieg der Löhne im Euroraum sieht Villeroy entspannt, das habe die EZB bereits erwartet.

‘Dr. Dooms’ sicherer Hafen

Der für seine finsteren Prognosen bekannte Top-Ökonom Nouriel Roubini macht sich Donald Trumps inflationsträchtige politische Agenda zunutze, um in einer Welt erhöhter Volatilität für einen anderen sicheren Hafen als US-Staatsanleihen zu plädieren. Mit dem Start des Atlas America Fund (USAF) am Mittwoch steigt Roubini erstmals in den ETF-Markt ein und will damit eine Lösung für den Fall anbieten, dass sich seine langjährigen negativen Prognosen bewahrheiten. “Mittelfristig wird die Inflation in den USA und den entwickelten Volkswirtschaften schrittweise steigen”, sagte Roubini. Deshalb brauche es Alternativen. Der ETF wird laut Prospekt unter anderem in Klimawandel-resistente Immobilieninvestmentfonds, inflationsgeschützte US-Staatsanleihen, kommunale Wertpapiere, Unternehmensanleihen und Goldfonds investieren. Die Kostenquote des aktiv verwalteten Fonds wird bei 75 Basispunkten liegen. Roubini, der dank seiner Vorhersage der Finanzkrise 2008 den Spitznamen “Dr. Doom” trägt, sagte, dass das beliebte 60/40-Portfolio mit Trumps Zollplänen erneut auf ein Desaster zusteuere, da diese die Preisstabilität gefährdeten. Derweil nähert sich Bitcoin der historischen 100.000-Dollar-Marke, da Händler auf einen Kryptoboom in der Amtszeit Trumps wetten. Am Donnerstag legte die digitale Münze um bis zu 3,6% auf einen Rekordwert von 97.892 Dollar zu. Seit Trumps Wahlsieg am 5. November hat der Kryptomarkt etwa 900 Milliarden Dollar zugelegt. 

Absehbares Bremsversagen

“Der fiskalische Spielraum ist da”, sagte EZB-Vizepräsident Luis de Guindos, als er im Bloomberg-Interview zur deutschen Haushaltspolitik befragt wurde. „Dies steht in krassem Gegensatz zu anderen Ländern“, was “ein Vorteil für die Zukunft” sei. Im Vorfeld der vorgezogenen Bundestagswahl steigt sichtlich das Interesse am Schicksal der Schuldenbremse, die seit ihrer Inkraftsetzung 2009 Bund und Länder zu sparsamer Haushaltsführung zwingt und künftigen Generationen untragbare finanzielle Lasten erspart. Nach der Wahl kommt die Regelung indes mit ziemlicher Sicherheit auf den Prüfstand, selbst unter einem Kanzler Friedrich Merz — allerdings mit Einschränkungen. „Ist das Ergebnis, dass wir noch mehr Geld ausgeben für Konsum und Sozialpolitik? Dann ist die Antwort nein“, sagte dieser beim Wirtschaftsgipfel der Süddeutschen Zeitung. Die Haushaltsrealität zeigt für das vergangene Jahr, dass investiven Ausgaben des Bundes in Höhe von 55 Milliarden Euro konsumtive Ausgaben von gut 400 Milliarden gegenüberstanden. Die Berliner Nichtregierungsorganisation Dezernat Zukunft hat nun für die Jahre 2025 bis 2030 “öffentliche Finanzbedarfe” von insgesamt 782 Milliarden Euro oder rund 3% des BIP pro Jahr errechnet, den Löwenanteil für Dekarbonisierung. 

Immo-Lichtblicke

Seit der Corona-Pandemie steckt der Büromarkt in einer tiefen Krise. Und weil die zukünftige Nachfrage nach Flächen weiterhin ungewiss ist, verzeichneten die Investments in diesem Segment in den ersten drei Monaten des Jahres einen massiven Rückgang. Während das Gesamtvolumen großer Bürotransaktionen 2022 noch bei rund 12 Milliarden Euro lag, war es in diesem Jahr bisher nur 1 Milliarde Euro. Dank einer Belebung bei Großdeals zeigt Deutschlands angeschlagener Immobilienmarkt aber trotzdem erste Anzeichen einer Erholung. In den ersten neun Monaten 2024 wurden laut einer Untersuchung des Immobiliendienstleisters Cushman & Wakefield auf dem deutschen Immobilien-Investmentmarkt 40 Transaktionen ab 100 Millionen Euro verzeichnet. Im Vorjahreszeitraum waren es nur 31. Für das Gesamtjahr rechnet C&W mit einem Anstieg des Volumens aller gewerblichen Transaktionen um 16% auf rund 25 Milliarden Euro. Die Käufer großer Portfolios kommen überwiegend aus dem Ausland. Die Schweizer Peach Property stärkt indes mit einer Kapitalerhöhung von mehr als 113 Millionen Franken (122 Millionen Euro) ihre Finanzen und reduziert die Schulden. Mit dem Abschluss der Kapitalerhöhung wird bis zum 9. Dezember gerechnet.

Was sonst noch so passiert ist: