Five Things: Germany
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Warten auf ein Winter-Wunder

Zumindest Olaf Scholz hat die Hoffnung nicht aufgegeben, dass er die vorgezogene Bundestagswahl noch gewinnen kann.

Der 23. Februar — der voraussichtliche Wahltag — sei auch der Geburtstag von SPD-Chef Lars Klingbeil und seiner Ehefrau Britta Ernst, verriet Scholz am Freitagmorgen auf einer Parteiveranstaltung in Berlin. “Es muss also gut gehen”, gab sich der jetzt nicht mehr zu verhindernde Kanzlerkandidat gewohnt optimistisch.

Am Abend zuvor hatte Verteidigungsminister Boris Pistorius mit seiner Verzichtserklärung den Weg für Scholz’ erneute Kanzlerkandidatur frei gemacht. Ob dies allerdings auch der Weg für Scholz’ Rückkehr ins Kanzleramt ist, darf bezweifelt werden. Geburtstage hin oder her.

Zu desaströs sind seine Umfragewerte. Im jüngsten ARD-Deutschlandtrend rangiert Scholz bei der Frage nach dem geeigneten Kanzlerkandidaten auf Platz 5 — noch hinter AfD-Chefin Alice Weidel. Auf Platz 1 liegt eben jener Pistorius, der nun seinen Rückzug angekündigt hat — aus freien Stücken, wie in der SPD-Spitze auffällig oft betont wird.

Doch nicht alle in der SPD teilen offenbar die Begeisterung des SPD-Kommunalpolitikers, der Klingbeil am Freitagmorgen in Berlin mit Blick auf den Wahlkampf etwas masochistisch versprach: “Wir werden uns für euch vor Ort den Arsch aufreißen.”

Nun senkt auch seine über den Dingen schwebende Amtsvorgängerin noch den Daumen über Scholz. Die Wutrede des Kanzlers beim Hinauswurf von Finanzminister Christian Lindner sei “kein Paradebeispiel für Würde” gewesen, sagte Angela Merkel dem Spiegel. Und was sagt der geschasste FDP-Chef? “Es ist mir recht, wenn Herr Scholz der Kanzlerkandidat der SPD ist”, so Lindner auf X. “Da wissen die Menschen, was sie bekommen. Und was nicht: Wirtschaftswende.”

Was Marktteilnehmer heute noch bewegen könnte, berichten Ihnen Alexander Kell, Rainer Bürgin, Annika Reichelt, und Verena Sepp: Erholung nicht in Sicht, Lagarde drängt, Neuland unterm Pflug, kaum eingepreist, und Eskalationsspirale.

Erholung nicht in Sicht

Ähnlich deprimierend wie das Wetter ist diesen November der Ausblick auf die deutsche Wirtschaft. Laut der monatlichen S&P-Umfrage unter Einkaufsmanagern fiel die Geschäftsaktivität im deutschen Privatsektor auf ein Neunmonatstief von 47,4. Damit lag sie deutlich unter der Schwelle von 50, die Wachstum anzeigt, und unter dem von Analysten erwarteten Wert von 48,7. Die harten Daten sind nicht besser: Rückläufige Exporte haben die Wirtschaft im dritten Quartal so stark belastet, dass sie nur hauchdünn der Stagnation entgangen ist. Das BIP legte in den drei Monaten bis September nur um 0,1% zum Vorquartal zu, wie Destatis heute in einer Datenrevision mitteilte. Die Bundesbank rechnet für das laufende vierte Quartal mit einer Stagnation. Auch im Nachbarland Frankreich hält die Misere weiter an. Dort ist die Privatsektor-Aktivität so stark eingebrochen wie seit Jahresbeginn nicht mehr. Politische und geopolitische Unsicherheiten führten zu einem Einbruch im Dienstleistungssektor — wie auch im Euroraum, wo der PMI von 50 im Oktober auf 48,1 abrutschte. “Es hätte kaum schlimmer kommen können”, sagte Cyrus de la Rubia, Chefökonom der Hamburg Commercial Bank. 

Lagarde drängt

Die Gründe für eine Verschmelzung der europäischen Kapitalmärkte werden nach Ansicht von EZB-Präsidentin Christine Lagarde immer drängender. Auf dem European Banking Congress in Frankfurt verwies sie auf die schwindende Innovationskraft in Europa, während die geopolitischen Risiken zunähmen. “Die technologische Kluft zwischen den Vereinigten Staaten und Europa ist jetzt unbestreitbar”, sagte sie. “Auch das geopolitische Umfeld ist ungünstiger geworden, da der Freihandel aus allen Teilen der Welt zunehmend bedroht ist“. Die EU müsse daher endlich handeln, man habe bereits wertvolle Zeit verloren. Die Idee, eine Kapitalmarktunion zu schaffen, gebe es schon seit Jahren, die Bemühungen der EU seien aber immer wieder ins Stocken geraten. Brüssel habe sich in Bürokratie verstrickt, gleichzeitig hätten nationale Interessen das Projekt immer wieder “zerpflückt“, so Lagarde. Bereits Anfang der Woche hatte die Notenbankerin und frühere französische Ministerin gefordert, dass die EU ihre Ressourcen bündeln und die Fragmentierung ihrer Finanzmärkte beseitigen müsse, um im globalen Wettbewerb bestehen zu können. Heute setzte sich Lagarde für die Schaffung einer europäischen Wertpapier- und Börsenaufsichtsbehörde ein, analog zur SEC in den USA.

Neuland unterm Pflug

Künstliche Intelligenz wird auch um kleinere deutschen Banken keinen Bogen machen. In einer Erhebung des Genoverbands gingen 44% der befragten Vorstände davon aus, dass sich KI breit in ihren Instituten einsetzen lässt. Mit Blick auf gleichförmige und sich wiederholende Aufgaben wie etwa die Bearbeitung von Kreditanträgen gingen sogar 89% der Befragten davon aus, dass diese künftig ganz vom Kollegen Computer übernommen werden können. Bei Nachbesetzungen rückten angesichts dessen neue Qualifikationen in den Mittelpunkt. “Die Anforderungsprofile für Mitarbeitende verändern sich”, erklärte Ingmar Rega, Vorstandsvorsitzender des Genoverbands. “Automatisierbare Aufgaben übernehmen perspektivisch Algorithmen.” Jenseits des Atlantiks ist indessen Apple dabei, den Sprachassistenten Siri mit nachgeschärfter KI zu einem intelligenteren Helfer zu machen, wie darüber informierte Kreise berichten. Die im vergangenen Monat vorgestellte Plattform Apple Intelligence hinkt noch in einigen Bereichen hinter der Konkurrenz von OpenAI & Co her. 

Kaum eingepreist

Ein “maximalistisches“ Szenario, bei dem der designierte US-Präsident Donald Trump seine extremste Politik umsetzt, ist laut Deutscher Bank nur zu 30% in den Märkten eingepreist. Im Extremszenario würden die Zinsen der Fed bei 5% oder darüber liegen, die der EZB bei 1% oder darunter, so George Saravelos, Global Head of FX Research bei der Bank. “Die Quintessenz ist, dass der Markt immer noch nicht viel Trump einpreist”, schreibt er. “Wir bleiben bullisch für den Dollar”. Die Politik unter Trump II steht zwar noch nicht fest, sein Führungszirkel in Umrissen aber schon. Bei der Zusammenstellung seines Kabinetts legt er großen Wert auf Loyalität und die Bereitschaft, seine America-First-Politik umzusetzen. Es ist eine Mischung aus Abgeordneten, Beratern und Außenseitern. Das Kabinett dürfte sich auf Handel, nationale Sicherheit und Wirtschaft konzentrieren. Die Führung des Finanzministeriums ist noch zu besetzen. In der Zwischenzeit hat ein umstrittener Kandidat hingeworfen: Matt Gaetz, der seine Absicht angekündigt hatte, aus dem Kongress auszuscheiden, als Trump ihn als seinen Kandidaten für das Amt des Generalstaatsanwalts benannte. Ihm wird sexuelles Fehlverhalten vorgeworfen.

Eskalationsspirale

Russlands Hyperschall-Mittelstreckenrate neuen Typs soll die europäischen Hauptstädte und Washington davon überzeugen, dass Putin tatsächlich bereit ist, den Feldzug in der Ukraine in einen Atomkrieg zu verwandeln. Demonstriert wurde die Waffe bei einem Angriff ohne Kernsprengkopf, gedacht ist sie jedoch für den Einsatz mit mehreren davon. Ob sie die USA und Großbritannien bewegen wird, Kiew nicht weiter mit Raketen zu unterstützen, die russisches Kernland erreichen können, wird sich zeigen. Die Hauptstadt der Ukraine indessen wird in jüngster Zeit fast täglich mit russischen Angriffen überzogen. Heute wurde wegen der Befürchtung von Einschlägen erstmals seit einigen Monaten eine Sitzung des Parlaments abgesagt. Die amerikanischen Geheimdienste indessen warnen Rüstungsunternehmen, sich gegen Sabotage in Diensten Moskaus zu wappnen. Die Zentralbank Dänemarks rechnet mit Hackerangriffen auf Banken. Aus Südkorea ist derweil zu hören, im Gegenzug zur Abordnung nordkoreanischer Truppen nach Russland seien Pjöngjang Luftverteidigungssysteme geliefert worden. Kurioses meldet das Wall Street Journal: Der US-Finanzier Stephen Lynch wolle die gesprengte Pipeline Nord Stream 2 erwerben. Der Trump-Unterstützer argumentiere dabei auch damit, dass die USA damit bei Verhandlungen über ein Ende des Ukraine-Krieges ein zusätzliches Druckmittel gegenüber Moskau hätten.

Was sonst noch so passiert ist: